Yvonne Roeb

 

von Claudia Breinl

Im herkömmlichen Sprachgebrauch bezeichnet man das Resultat einer Mischung verschiedener Gattungen als Hybrid und bezieht sich auf biologische Kreuzungen der Pflanzen- und Tierwelt. In technischen und gesellschaftlichen Prozessen geht es um das Verschmelzen von zwei oder mehreren Gegebenheiten zu etwas Neuem. Dass es in der Kunst schon immer Hybride gegeben hat, liegt in der Natur ihrer Sache.

Bei Yvonne Roeb wird der Hybrid als solcher zum Thema. Bestandteile von Tier, Pflanze, Mensch, Mineral vermischen sich. Eins wächst aus dem anderen heraus oder ins andere hinein bis aus getrennten Komponenten ein völlig neuartiges Wesen entstanden ist. Diese Hybride sind mehr als die Kombination von Elementen, sie strahlen die Möglichkeit von Lebendigsein aus. Auch wenn das unter den Händen der Künstlerin Gewachsene fremdartig ist, ist es doch auf seine Weise glaubwürdig. Der Eindruck des Organischen ist paradoxerweise der ungewöhnlichen Mischung aus synthetischen und anderen Stoffen zu verdanken. Mal werden Lack, Wachs und Metall, dann wieder Bauschaum und Polyester, Haar und Latex eingesetzt. Man kennt dergleichen souveränen Umgang mit Materialkombinationen von anatomischen Lehrobjekten oder naturhistorischen Sammlungen oder aus frühneuzeitlichen Wunderkammern. Das zauberische Element der Verwandlungen und die Übergänge von Vertrautem zum Grotesken und Befremdlichen, die Verschränkung von Schönem und Schauerlichem übt eine hypnotische Wirkung aus. Es mischt sich der Reiz des Surrealen mit der Angst vor dem Unbegreiflichen. Alle diese Objekte lehren das Staunen über die Welt, aber auch über die Seele und ihre Abgründe. Mal sehen wir Körper, halb Mensch, halb Pferd, dann Gesichter aus zwei unterschiedlichen Hälften, hier Fossilien, die zu leben scheinen, dort Pflanzen, die zu Tieren mutieren, - Zwitterwesen allenthalben und doch kein Gruselkabinett, sondern eher eine Raritätensammlung kostbarer Seltsamkeiten.

Angesichts der gewagten Materialmischungen könnte man ein Zuviel der Mittel fürchten, etwas, das die Werke überschwemmt und verunklart. Doch das passiert bei Yvonne Roeb nicht. Nicht die Materialwirkung als solche steht im Vordergrund, sondern sie wird der Figur dienstbar gemacht. Dabei brauchen Roebs Skulpturen keine raumfüllenden Dimensionen, um ihre suggestive Anziehungskraft auszuüben. Eher wie Schmuckstücke und Kleinode passen sie in handliche Glasvitrinen, sind in Augenhöhe auf kleinen Podesten aufgebaut oder erheben sich zu Menschengröße. Um sie recht zu erkennen, wird man sich ihnen nähern und tritt so in eine intime Zwiesprache. Dass sich ihre Größe an menschlichen Proportionen orientiert, senkt die Schwelle für die Annäherung. Mit Vorüberschlendern ist es nicht getan, man muss diesen Werken körperlich nahe kommen und läßt so auch im übertragenen Sinn die Dinge ganz dicht an sich heran.
Yvonne Roebs Werke antworten auf die Ängste vor einer Pervertierung unserer Welt und ihrer umfassenden Manipulierung. Nichts ist mehr natürlich, was natürlich erscheint - und - der Mensch kann sich nicht mehr entkommen, überall und in allem begegnet er irgendwann nur noch seinen eigenen Machwerken. Kein Wunder, dass Yvonne Roebs Klappaltar „Retabel“ zwar vergoldete, aber ansonsten leere Tafeln aufweist.